Melinoë


Kalt weicht der Hauch aus dem Körper davon,
Schwarz ist die Nacht, die ihn birgt,
Weich ist das Kissen, dem er sich vertraut,
Starr ist das offene Lid.

Wild weht der Sturm und bleich ist die Sonn‘,
Langsam die Dunkelheit wirkt,
Grün ist das Auge, das ihn nun anschaut,
Die Quelle nicht länger versiegt.

Leise die Stimme sein‘ Namen nur ruft,
Rhythmisch die Finger verkrampfen,
Flehend sie streckt ihre Hände nach ihm,
Sie, die ihm immer im Traum nur erschien.

Sie, die dieses Bild erschuf,
Sie, die nichts will, nur tanzen,
Mit ihm und seiner Hülle, die
Verlassen und lebendig nie,
Vergessen ihm nun selber schien.

»Melinoë, Melinoë«,
Er ruft und danach haucht.
»Melinoë, Melinoë«,
Ist alles, was er braucht.

Der erste Tanz, das erste Lied,
Der erste Schritt, der erste Beat,
Der erste Arm, der ihn berührt,
Das erste Wesen, das ihn führt,
Der erste Fehler, den er macht,
Die erste Angst in ihm erwacht,
Die erste Hilfe er erfährt,
Die Erste, die ihm nicht verwehrt,
Die Erste, die ihn wünschen lässt,
Das erste Mal er weint zuletzt.

»Melinoë, Melinoë,
Mir tut es in der Seele weh,
Zu sehen, wie du dich bemühst
Und meine alten Träume schürst,
Zu sehen, wie du alles gibst,
Und mich trotz meiner Fehler liebst.«

Kalt weicht der Hauch in die Höhe empor,
Schwarz ist die Nacht, die ihn führt,
Weich ist das Kissen, dem er sich vertraut,
Starr ist das offene Lid.

Starr sind die Finger und starr ist das Tor,
Starr ist die Hand, die ihn führt,
Starr ist das Antlitz, dem er sich vertraut,
Starr er sich selber ihr gibt.

»Melinoë, Melinoë,
Nimm mich zu dir hinab,
Nimm meine Arme, Beine, Kopf,
Von Fuß und Bein bis an den Schopf,
Nimm mein‘ Verstand und Seel‘ und Herz‘,
Nimm alles Gute und all Schmerz,
Nimm es zu dir, behüte mich,
Alles Ich ich bind an dich,
Melinoë, Melinoë,
Bist alles, was ich bin und seh.«

Melinoë.

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